Erfurt. „Animals“ ist das oft übersehene Pink-Floyd-Album zwischen „Wish you were here“ und „The Wall“. Dabei ist es aktueller denn je. Wir haben reingehört und zeigen, was an der Neuauflage so besonders ist.

Es ist ein Tag Anfang Dezember 1976, als sich das Schwein von seinen Fesseln löst und in den düsteren Himmel über London entschwindet. Später muss sogar der Flugverkehr am Flughafen Heathrow eingestellt werden, weil ein mehr als neun Meter großes aufblasbares Schwein die Luftsicherheit gefährdet. Am Ende landet die Attrappe bei einem Bauern, der die Polizei ruft, weil seine Tiere unruhig werden. Gelandet auf einer Farm – ausgerechnet.

„Animals“ heißt das zehnte Album von Pink Floyd. Sänger und Bassist Roger Waters hat nicht nur die Idee für das Konzept, sondern auch für das Cover: Ein Schwein soll über der Battersea Power Station schweben, dem alten Kraftwerk mit den vier markanten Schornsteinen.

Fotosession für das Albumcover dauert drei Tage

Drei Tage und drei Anläufe benötigen Aubrey Powell und Storm Thorgerson vom Designstudio Hipgnosis bevor sie die Aufnahmen im Kasten haben, vierzehn Kameras sind im Einsatz. Am ersten Tag hebt das Rüsseltier nicht ab, am zweiten Tag büxt es aus, am dritten klappt es endlich. Nur der Himmel ist zu blau für das düstere Thema des Albums. Die Lösung: Eine Montage – man nimmt einfach die Aufnahmen der dunklen Wolken des ersten Tags.

Das Cover des Albums „Animals“ von Pink Floyd aus dem Jahr 1977.
Das Cover des Albums „Animals“ von Pink Floyd aus dem Jahr 1977. © Warner Music
Das Cover des Albums „Animals – Remix 2018“ von Pink Floyd, veröffentlicht 2022.
Das Cover des Albums „Animals – Remix 2018“ von Pink Floyd, veröffentlicht 2022. © Warner Music
Das Cover des Albums „Animals – Remix 2018“ in Dolby Atmos von Pink Floyd, veröffentlicht im Jahr 2024.
Das Cover des Albums „Animals – Remix 2018“ in Dolby Atmos von Pink Floyd, veröffentlicht im Jahr 2024. © Warner Music

Bereits einen guten Monat später, im Januar 1977, veröffentlicht Pink Floyd „Animals“. Das Schwein ist erneut eine ikonische Figur auf einem Cover der Band – nach der Kuh auf „Atom Heart Mother“ und dem Prisma von „The Dark Side of the Moon“. Inzwischen ist es sogar ein Sinnbild für die Band und wird bei Bühnenshows, etwa von Waters, immer noch verwendet.

Angelehnt an George Orwells Roman „Animal Farm“

Eigentlich aber ist es ein Symbol für gesellschaftliche Verwerfungen, Klassenunterschiede, für Kapitalismuskritik schlechthin. Angelehnt an George Orwells Roman „Animal Farm“ und entstanden während der angespannten sozialen und politischen Stimmung im Großbritannien Mitte der 70er-Jahre. Die fünf Songs sind nach Tieren benannt: Den tyrannischen Schweinen als Herrscher, den brutalen Hunden als Wirtschaftsbosse und den Schafen als abgestumpftes Volk.

  • Hören Sie das gesamte Album „Animals 2018 Remix“ von Pink Floyd im Stream bei Youtube mit Videoaufnahmen von der Battersea Power Station:
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Die Band verabschiedet sich von den opulenten Klanglandschaften der Vorgänger-Alben „The dark Side of the Moon“ (1973) und „Wish you were here“ (1975) und nutzt einen ungekünstelten, roheren Sound mit weniger Effekten und Instrumenten, jedoch nicht weniger eindringlich und ausufernd. Bis auf die kurzen Pro- und Epiloge „Pigs on the Wing Part 1“ und „Part 2“ dauern die anderen drei Songs mindestens zehn Minuten, „Dogs“ sogar 17 Minuten.

Der Song ist die einzige Co-Komposition mit Gitarrist David Gilmour, ansonsten schreibt Waters alle Stücke allein. Die Platte behandelt wie der Nachfolger „The Wall“ seine Lebensthemen: Den Menschen im Zwiespalt mit sich, seiner Umwelt und den gesellschaftlichen Bedingungen. Es ist rückblickend der Anfang vom Ende der Gruppe, irgendwann wollen die anderen drei Bandmitglieder den Visionen Waters nicht mehr folgen und es kommt Mitte der 80er-Jahre zum Bruch.

Neuauflage von „Animals“ als erstaunlicher Remix

Sogar für die aktuelle Neuauflage der Platte hält der Zwist an. Vier Jahre dauert es, bis 2022 endlich der 2018er-Remix von „Animals“ erscheinen kann. Ohne neue Liner Notes, um die Waters und Gilmour so lange und am Ende vergeblich gestritten hatten. Es ist nicht nur ein Remaster, sondern ein Remix des Albums, dem das Kunststück gelingt, keine Geschichtsverklärung zu betreiben. Der Remix eröffnet in der Tat neue Klangräume, neue Klangebenen ohne aber, und das ist der Punkt, das Original zu stark verändern.

Auch interessant

Die Bonusinhalte der Neuveröffentlichung sind die verschiedenen Abmischungen: der Original Stereo-Mix von 1977, der neue 2018er-Remix in High Resolution Stereo und als 5.1-Mix, alles hochauflösend. Jüngst ist eine weitere Version erschienen auf Blu-Ray mit Postkarte und Sticker – beides Marginalien – und dem ersten Dolby-Atmos-Mix des Albums – eine weitere Steigerung des Klangerlebnisses.

Neues Cover mit Battersea Power Station und Schwein

Auch das Cover hat eine Bearbeitung erfahren, an der erneut Original-Designer Powell beteiligt war, mit aktuellen Aufnahmen des still gelegten und zum Bürobauwerk umfunktionierten Kraftwerks, natürlich mit schwebendem Schwein und mit zeitgeistigen Lichtinstallationen rund um die Battersea Power Station.

Abgesehen von der Restaurierung und Modernisierung des Klangbildes: Inhaltlich scheint die kritische Behandlung der gesellschaftlichen Verwerfungen keinen Deut an Relevanz verloren zu haben.

Mehr Beiträge zum Thema Pink Floyd

Wir stellen in #langenichtgehört vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor. Alle Folgen gibt es hier.