Jena. Angelika und Götz Ritter feiern ihre Ehe. Die beiden sind fit und lieben Jena. Ortsteilbürgermeister gratuliert.

Angelika Ritter war 18, erst seit Oktober in der Oberschule – eine der Letzten, weil ihr Vater Arzt war und Arbeiterkinder in der damaligen DDR den Vorrang hatten. Wenig später, am 13. März 1960, kommt sie in Begleitung eines jungen Mannes zur Schule. Und bringt einen anderen Verehrer in Zugzwang: Um 16 Uhr denkt sich Götz: „Jetzt oder nie!“ Der heute 82-Jährige geht auf Angelika zu und küsst sie. Der erste Kuss, das Datum, bis auf die Uhrzeit genau, weiß Götz noch 64 Jahre später. Vier Jahre später heiraten sie, am Donnerstag war Hochzeitstag. Diamantene Hochzeit, ein Fest für 60 Jahre Ehe.

Liebe, die die Zeit überdauert

Die beiden lieben einander und ihre Heimat: „Gott sei Dank sind wir in Jena geblieben“, sagt Angelika heute. Nicht selbstverständlich, die beiden haben viele Klippen umschiffen müssen, um zueinander zu finden und beieinander zu bleiben. Mit vier Jahren erlebt Götz Ritter mit, wie sein Vater, ein Diplom-Ingenieur, von den Russen „einkassiert“ wurde, wie er sagt. Seine Mutter weigert sich, die Soldaten mit Sohn und Tochter zu begleiten. Das Bild der uniformierten Männer mit Kalaschnikows hat sich bei Götz eingebrannt, auch nach über sieben Dekaden sieht er es noch glasklar vor sich. Doch seine Mutter bleibt eisern und die kleine Familie in Jena.

Sieben Jahre später sitzt Götz auf dem Flachdach einer Baracke. Gegenüber das ehemalige Hotel International. Ein Bürger bearbeitet gerade das Schild der SED-Parteibüros mit einer Schaufel. Es ist der 17. Juli 1953, der elf Jahre alte Götz beobachtet ihn, bis die Schaufel das Schild besiegt. „Tagelang lag am Holzmarkt das ganze Papier“, erinnert Angelika sich – Akten, von den Demonstranten des Volksaufstandes aus dem Fenster geworfen.

Acht Jahre danach, Götz hat sich gegen den Fremden auf dem Schulhof durchgesetzt, Angelika hat sich für ihn entschieden, Götz ist in Berlin. Angelika zeitgleich in Teltow, nah an ihrem Götz in Lichterfelde. Bis zum 21. August 1961. „Die Grenzer haben mich angeschaut wie ein Alien“, erinnert Götz sich und lächelt. Aber er macht zurück, zurück zu Angelika. Sie bleiben zusammen und in Jena. „Immer wenn wir den Fuchsturm gesehen haben, wussten wir, wir sind zu Hause“, sagt er. „Über den eisernen Draht zu springen, war nie Thema.“

In Jena – und gesund bleiben

Sie bleiben in Jena, Götz studiert Zahnmedizin, Angelika macht eine Lehre in einer Apotheke. Sie ziehen zusammen in das Haus von Angelikas Großmutter, beim eigenhändigen Renovieren verliert Götz fast die Zehen an einen 16er-Doppel-T-Stahlträger. Nebenher jobbt er in einer Brauerei. Als ihm ein 100-Liter Fass über die Finger rollt, glaubt er das Studium an den Nagel hängen zu können: „Aber ich habe wohl Knochen wie Stahl, es sah schlimm aus, aber ist nichts passiert.“

Im Haus der Oma: Das Ehepaar Götz wollte immer in Jena bleiben.
Im Haus der Oma: Das Ehepaar Götz wollte immer in Jena bleiben. © Funke Medien Thüringen | Karl Gattenlöhner

Heute ist Götz 82, Angelika 80. Neben den guten Genen sind es einige Regeln, die sie fit halten: „Wir stöckeln viel. Also Nordic Walking“, erklärt Angelika. Sogar ins Fitnessstudio an der Neuen Mitte laufen die beiden, um Kurse zu besuchen „Wir kommen mit Stöcken, die anderen mit dem Auto“, erklärt Angelika „Und dann haben wir auch noch die ganze Treppe für uns.“ Denn das Studio hat auch einen Aufzug.

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Neben der Bewegung halten sie sich mit Reisen fit. Dabei gilt: „Nie länger als acht Tage und nie zweimal an den gleichen Ort“, sagt Götz. Früher haben sie Reisen und Bewegung verbunden: immer gerne nach Südtirol. Aber mit 79 und 77 Jahren mussten beide ihren Zweitausendern Adieu sagen. „Wir haben uns reduziert auf flache Ebenen“, erklärt er.

Die letzte Reise ging an den Bodensee, bald geht es, etwas weniger weit, nach Leipzig – Götz lädt die ganze Familie, seine beiden Töchter, die Schwiegersöhne und den Enkel, ein: Stadtrundfahrt, Zoo, Restaurant, ein paar Tage raus aus Jena und rein ins Familienleben. Sie freuen sich, sehr, genauso wie über den Besuch von Ortsteilbürgermeister Christoph Vietze. Der den beiden neben Glückwünschen einen großen Geschenkkorb überreichte.

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