Weimar. Das Hochschul-Präsidium legt einen vermeintlichen Kompromissvorschlag vor. An diesem Montag fällt die finale Entscheidung.

Global hat der Streit um das kleine Institut für Alte Musik an Weimars Franz-Liszt-Hochschule Kreise gezogen; an diesem Montag (1. Juli) nun ist der Tag der Entscheidung. Dann stimmt hinter verschlossenen Türen deren Hochschulversammlung über die finale Fassung des Struktur- und Entwicklungsplans 2030 (STEP) ab – und damit über das Schicksal des Instituts. Die Fachwelt schaut auf Weimar als exemplarischen Fall.

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Die Berichterstattung dieser Zeitung und ein Protestbrief Peter Gülkes (90), Ehrensenator der Liszt-Hochschule, brachten vor sechs Wochen die Debatte ins Rollen. Unter diesem Druck hat das von Anne-Kathrin Lindig angeführte Hochschul-Präsidium den STEP redaktionell überarbeitet: Auf den ersten Blick sieht es nun gar nach einem Ausbau der historischen Aufführungspraxis aus; im Kern hat sich jedoch nur wenig geändert. Kenner der Materie sprechen unverhohlen von „Rosstäuscherei“.

Abbau des Insituts, aber Ausbau des Angebots?

Wie nun das? Laut finalem STEP, der unserer Redaktion vorliegt, soll historische Aufführungspraxis als „Querschnittskompetenz“ in nahezu alle klassischen Instrumental-Studiengänge der Liszt-Hochschule integriert werden; das ist bislang nur teilweise der Fall. Weimar nehme somit eine „Vorreiterrolle“ ein, heißt es. Dieses zusätzliche Angebot sollen Lehrbeauftragte auf Honorarbasis leisten, indessen man, um es zu finanzieren, die festinstallierten Alte-Musik-Professuren abbaut.

Spätestens binnen sieben Jahren wäre das Institut für Alte Musik damit faktisch entkernt und hinfällig. Abgesehen von den praktischen Fragen, ob solche freien Dozenten fürs Historische sich in hinreichender Zahl finden ließen und wer sie dann koordiniert, entlarvt dieser Vorstoß sich als widersinnig. Denn die Studierenden erwürben letztlich nur Grundkenntnisse im Barockmusikspiel. Diese Ausbildung zielt vor allem auf eine Arbeit in klassisch-romantischen Orchestern hin, nicht aber auf Originalklang-Ensembles.

Weimarer Zwist wärmt alten Grundsatz-Streit auf

Mit ihrem Struktur- und Entwicklungsplan 2030 (STEP) ist Anne-Kathrin Lindig, Präsidentin der Franz-Liszt-Hochschule Weimar, in die Kritik der internationalen Alte-Musik-Szene geraten.
Mit ihrem Struktur- und Entwicklungsplan 2030 (STEP) ist Anne-Kathrin Lindig, Präsidentin der Franz-Liszt-Hochschule Weimar, in die Kritik der internationalen Alte-Musik-Szene geraten. © Wolfgang Hirsch

Zwar lassen barocke Spieltechnik und Stilistik sich teilweise auf moderne Instrumente übertragen; doch klingt das dann anders, weil fast alle Instrumente sich im Lauf der Jahrhunderte baulich verändert haben, ja so manches Klanggerät – etwa Blockflöte, Cembalo, Zink, Gambe, Theorbe – daraus verschwunden ist. Somit handelt die Debatte um die Abwicklung des Weimarer Instituts und seiner Studiengänge letztlich immer noch von dem alten Grundsatz-Streit, wie das Barocke heutzutage zu spielen ist. Der ist allerdings auf den großen Festivals und dem Tonträgermarkt längst entschieden: Originalklang-Spezialisten haben die Oberhand.

Prominente Proteste aus aller Welt gegen eine Instituts-Abwicklung

Dies erst erklärt den globalen Aufruhr: Ein von John Eliot Gardiner und Ton Koopman angeführter „Appell der Zwölf“ warnt energisch davor, das Institut an der Liszt-Hochschule zu eliminieren. Ebenso ein weiterer offener Brief mit 24 prominenten Unterschriften, den der in Weimar ausgebildete Cembalist und Dirigent Gerd Amelung (Berlin/Paris) organisiert hat, Invektiven des Star-Geigers David Garrett (New York) und der Musikwissenschaftlerin Helen Geyer, der Grande Dame der Thüringer Alten Musik, sowie eine Online-Petition mit 30.000 Unterschriften.

So paradox es klingt: Indem sie die Alte Musik wieder ins Korsett der modernen Orchester zwänge, erwiese die Franz-Liszt-Hochschule sich – zumindest in den Augen von Barock-Puristen und den Ohren kundiger Musikliebhaber – als rückwärtsgewandt. So bleibt die Entscheidung bis zum Schlussakkord spannend.