Gelsenkirchen. Georgien schlägt Portugal 2:0 und zieht sensationell ins Achtelfinale ein. Ronaldo diskutierte vor allem mit dem Schiedsrichter.

Es hatte etwas märchenhaftes, was sich dort auf Schalke abspielte. Der Neuling Georgien, ein kleiner Staat mit gerade einmal 3,7 Millionen Einwohnern, brachte das große, stolze Fußballland Portugal ins Wanken. Chwitscha Kwarazchelia traf (2.), Georges Mikautadze erhöhte (57.). Der Außenseiter verhinderte Gegentore per Grätsche, mit der Schulter, mit Glück, gewann so 2:0 (1:0) und katapultierte sich als Gruppendritter mit vier Punkten ins Achtelfinale. Dort heißt der Gegner Spanien.

Schon jetzt ist dies eine der bleibenden Geschichten der Europameisterschaft in Deutschland.

Vor dem Anpfiff hatte sich die Hitze in diesem Kessel namens Veltins-Arena gestaut, aber was dann in der zweiten Minute passierte, erwärmte die Atmosphäre noch ein weiteres Mal; alle, die zu Georgien hielten, selbst viele Journalistinnen und Journalisten aus dem kleinen Land, sprangen in die Luft, rissen die Augen ungläubig auf, brüllten.

Viel am Diskutieren: Cristiano Ronaldo.
Viel am Diskutieren: Cristiano Ronaldo. © dpa | Bernd Thissen

„Believe“ steht auf einem Banner der georgischen Fans

Antonio Silva hatte einen dramatischen Fehlpass gespielt, plötzlich stürmte der Außenseiter nach vorne. Georges Mikautadze sah, dass Chwitscha Kwarazchelia, im Alltag beschäftigt beim SSC Neapel in Italien, auf der linken Seite reichlich Raum hatte, spielte einen maßgenauen Pass, den Kwarazchelia nutzte, um überlegt die rechte Ecke zu treffen. „Believe“, Glaube, stand auf einem Banner der georgischen Fans, und jetzt führte die eigene Mannschaft plötzlich. Verrückt.

Allerdings waren eben auch noch viele, viele Minuten zu spielen. Portugal übernahm die Kontrolle, Georgien zog sich weit zurück, die Spieler versuchten, sich gegen die Übermacht zu wehren. Sie grätschten, kämpften, wenn nötig, dann wurde zugetreten. Dies zeigte Wirkung: Portugals Goncalo Inacio passte unbedrängt ins Aus.

Der Europameister von 2016 stand bereits vor dem Anpfiff als Gruppensieger fest, daher schonte Trainer Roberto Martinez in Bernardo Silva und Bruno Fernandes zwei Leistungsträger, Superstar Cristiano Ronaldo allerdings begann und sein Freistoß in der 16. Minute fiel wie ein Donnerschlag nach unten, Torhüter Giori Mamardaschwili bekam im letzten Moment die Hände dazwischen.

Alle aufeinander: Georgien nach dem Schlusspfiff.
Alle aufeinander: Georgien nach dem Schlusspfiff. © AFP | PATRICIA DE MELO MOREIRA

Ronaldo fordert einen Elfmeter und sieht Gelb

Beim zweiten Gruppenspiel in Dortmund waren zahlreiche Flitzer auf den Rasen gerannt, um ein Selfie mit Ronaldo zu ergattern. Diesmal nervte den schimmernden Superstar der Schweizer Schiedsrichter Sandro Schärer. Dieser hielt ihm die Gelbe Karte vor die Nase, weil sich Ronaldo lautstark darüber beschwert hatte, im gegnerischen Sechzehnmeterraum gehalten worden zu sein (was stimmte). Schärer aber zeigte sich unbeeindruckt, verweigerte dem Kapitän einen Strafstoß.

Joao Felix schnupperte am Ausgleich (30.). Auch Ronaldo kam an der Fünfmeterraumgrenze zum Abschluss, Giorgi Gwelessiani aber warf sich im letzten Moment in den Ball (35.). Vermutlich wird er seinen Enkelkindern noch von dieser Grätsche erzählen. Georgien benötigte in dieser Phase Glück, aber es blieb in Führung und schaffte es gelegentlich, durchzuatmen. Vor allem Torschütze Kwarazchelia rannte mehrfach beherzt nach vorne, einmal ließ sein Schuss das rechte Außennetz flattern (33.). Ronaldo hingegen diskutierte weiterhin mit Schiedsrichter Schärer und musste aufpassen, nicht Gelb-Rot zu sehen.  

Die Frage war nur, ob die aufopfernd kämpfende Elf vom Trainer Willy Sagnol, als Spieler lange beim FC Bayern, dem Druck standhalten würde. In der 47. Minute kam Ronaldo schon wieder im Fünfmeterraum zum Schuss, diesmal war es die Schulter von Luka Lotschoschwili, die den Ausgleich verhinderte. Und dann landete eine Flanke plötzlich bei Kwarazchelia, ganz frei stand er im portugiesischen Sechzehnmeterraum, doch er traf den Ball nicht richtig (50.).

Strafstoß für Georgien - schon steht es 2:0

Kurz danach fiel Georgiens Luka Lotschoschwili im gegnerischen Sechzehnmeterraum zu Boden, kugelte sich auf dem Rasen. Ronaldo-Freund Schärer pfiff erst nicht, sah sich die Aktion aber noch mal draußen auf dem Monitor an. Dort bemerkte er, dass Antonio Silva, der mit dem katastrophalen Fehlpass, Lotschoschwili getreten hatte. Elfmeter. Mikautadze blieb cool und zielte in die rechte Ecke. Jetzt war die Sensation greifbar.

Ronaldo wurde ausgewechselt (66.), seine Elf hatte auch danach viel Ballbesitz, doch sie tat sich schwer damit, Gefahr zu erzeugen. Das Märchen von Georgien wurde immer konkreter, die Fans hielten bereits ihr Smartphone in die Luft, erzeugten mit ihren Taschenlampen ein Lichtermeer. Sie können nun mindestens noch ein weiteres Spiel ihrer Mannschaft bestaunen.

DFB-Team: Lesenswerte Stücke zur Nationalmannschaft