Berlin. Mit der Software des US-Start-ups will der deutsche Konzern seine Elektroautos voranbringen. Doch der Deal könnte nach hinten losgehen.

Dem Aktienkurs des US-Elektroautobauers Rivian gab der am Dienstagabend verkündete Deal mit dem deutschen Volkswagen-Konzern gleich einen kräftigen Schub: Im nachbörslichen US-Handel sprang das Rivian-Papier um fast 50 Prozent hoch. VW will in einem ersten Schritt eine Milliarde Dollar direkt in Rivian investieren. In einem zweiten Schritt wollen die Wolfsburger ein Gemeinschaftsunternehmen mit der US-Firma gründen und weiteres Geld in Höhe von vier Milliarden Dollar in das Geschäft einbringen. Die wichtigsten Fragen im Überblick.

Warum steigt Volkswagen bei Rivian ein?

Der deutsche Konzern verspricht sich durch den Deal vor allen Dingen schnellere Fortschritte bei der Software-Entwicklung. „Durch unsere Zusammenarbeit werden wir die besten Lösungen schneller und zu geringeren Kosten in unsere Fahrzeuge bringen“, sagte VW-Konzernchef Oliver Blume laut Mitteilung. Volkswagen bekommt so Zugriff auf eine erprobte und bei Kunden beliebte Fahrzeugsoftware mit entsprechender Benutzeroberfläche – bislang ein Schwachpunkt der Deutschen.

Ist die US-Firma Rivian ein Tesla-Konkurrent?

Eher nicht. Rivian ist wesentlich kleiner und fährt auch immer noch Verluste ein. In den ersten drei Monaten des Jahres verbuchte der US-Elektroautobauer für jedes verkaufte Fahrzeug einen Bruttoverlust von fast 39.000 Dollar. Das 2009 gegründete Unternehmen hat im Gegensatz zu Tesla auch noch nie Gewinn gemacht, sondern laut Analysten bislang mindestens 17 Milliarden Dollar verbrannt.

RJ Scaringe ist der CEO bei Rivian. Sein Unternehmen kann eine Finanzspritze gut gebrauchen.
RJ Scaringe ist der CEO bei Rivian. Sein Unternehmen kann eine Finanzspritze gut gebrauchen. © Bloomberg via Getty Images | Bloomberg

Im Ende März zu Ende gegangenen, zurückliegenden Geschäftsjahr erzielte Rivian einen Umsatz von 4,98 Milliarden Dollar. Der Verlust allerdings überstieg mit 5,4 Milliarden Dollar diesen Wert. Rivian ist in den USA vor allem für den Pick-up-Truck R1T sowie seinen SUV R1S bekannt. Angesichts der Verluste hatte die kleine Firma die Finanzspritze durch Volkswagen dringend nötig.

Was sind die Probleme von Volkswagen bei der Elektromobilität?

Die liegen besonders im Software-Bereich. Da lief es in den vergangenen Jahren überhaupt nicht rund. Vor allem die Komplexität einer solchen Software-Architektur schien den Konzern zu überfordern. Als man die E-Auto-Modelle ID.3 und ID.4 auf den Markt brachte, häuften sich danach Beschwerden. VW musste sogar einige Fahrzeuge zurückrufen, weil die Gefahr bestand, dass die Stromer plötzlich stehen bleiben.

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Zeitweise war bei dem Konzern sogar von einem Softwarechaos die Rede. „Für Volkswagen ist angesichts der Software-Probleme ein neuer Ansatz wichtig“, sagt der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer vom Bochumer CAR-Institut. Zusammen mit der VW-Tochter Cariad und Bosch habe man bislang „nichts Zählbares auf den Tisch gelegt“. Bisherige Systeme hätten stattdessen „zahlreiche Fehler“ gehabt, so der Fachmann.

Wie kann Rivian helfen?

Rivian hat zumindest eine erprobte Software. Dass sich der Volkswagen-Konzern in dieser Hinsicht nun aber auf ein Start-up verlasse, sei „nicht risikolos“, sagt Dudenhöffer. Gleichzeitig hätte bei Partnerschaften mit großen Tech-Konzernen wie Apple oder Google stets die Gefahr bestanden, eigene Kunden an die US-Giganten zu verlieren. Jetzt müsse man abwarten, ob es mithilfe von Rivian gelinge, die Softwareprobleme bei den E-Autos des Volkswagen-Konzerns zu lösen.

Der Rivian R1S: beliebt, aber ein Verlustgeschäft für das Unternehmen.
Der Rivian R1S: beliebt, aber ein Verlustgeschäft für das Unternehmen. © picture alliance / abaca | TNS/ABACA

Was bringt das für Deutschlands E-Auto-Ziele?

Politisch gibt es das Ziel, bis zum Jahr 2030 15 Millionen Elektroautos auf die Straße zu bringen. Derzeit sind es nur gut 1,5 von 49 Millionen Pkw. Autoexperte Dudenhöffer glaubt an keinen großen Einfluss durch den Volkswagen-Rivian-Deal. Er sieht andere Herausforderungen. „Dass Wirtschaftsminister Habeck die Prämie eingestellt hat, war ein Fehler“, erklärt er. „Danach ist der E-Auto-Absatz hierzulande rasant eingebrochen.“

Weiterhin seien die Preisunterschiede zwischen den Elektrofahrzeugen und Verbrennern zu groß, E-Autos einfach zu teuer. Hinzu komme das ewige Glorifizieren von Verbrennern. „Wer wie CDU, CSU, FDP, BSW oder AfD den Leuten ständig erzählt, die Verbrennungstechnologie sei die bedeutendste Erfindung der Welt und werde noch Hunderte Jahre weiter bestehen, schadet dem Vertrauen der Menschen in die Elektromobilität.“ Man müsse sich nicht wundern, wenn die E-Autos so zu Ladenhütern würden.