Berlin. Mieterstrom kommt kaum voran in Deutschland – dabei ist das Potenzial einer neuen Erhebung zufolge riesig. Was nun passieren muss.

Solaranlagen werden immer günstiger. Davon könnten auch Mieterinnen und Mieter in Mehrfamilienhäusern profitieren – doch der sogenannte Mieterstrom kommt in Deutschland nicht voran. Dabei ist das Potenzial riesig. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt.

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Demnach könnten von den insgesamt 19 Millionen Haushalten in Mehrfamilienhäusern bis zu 14,3 Millionen in gut 1,9 Millionen Gebäuden von Mieterstrom profitieren. Das Zubaupotenzial für Mieterstrom liegt der Erhebung zufolge insgesamt bei 43 Terawattstunden (TWh). Zum Vergleich: Dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme zufolge lag die gesamte Stromerzeugung aller Solaranlagen im vergangenen Jahr bei 61 TWh. Derzeit gibt es der Erhebung zufolge in lediglich 9000 Gebäuden mit drei oder mehr Wohnungen Mieterstromanschlüsse. Die jährliche Stromproduktion liegt bei 0,16 TWh.

Strom auf dem eigenen Dach zu erzeugen ist deutlich günstiger als der Einkauf elektrischer Energie am Markt. Darüber hinaus fallen auf Strom, der nicht durch das öffentliche Stromnetz fließt, keine Entgelte, zum Beispiel für die Leitungsnutzung, an.

Mieterstrom kommt nicht voran: Experte sagt, wo die größten Hürden liegen

Bisherige Studien hatten dem Mieterstrom eine weitaus geringere Bedeutung bescheinigt. So hatte zum Beispiel das Bundeswirtschaftsministerium 2017 geschätzt, dass lediglich 370.000 Wohngebäude mit knapp 3,8 Millionen Wohnungen für Mieterstrom infrage kommen könnten. Beim Mieterstrom werden Dächer von Mehrfamilienhäusern mit Solaranlagen ausgerüstet. So erzeugter Strom wird direkt vor Ort genutzt. Laut IW aber stockt der Ausbau weiterhin, auch bereits umgesetzte Reformen in dem Bereich würden daran wenig ändern.

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    „Ein zentrales Hemmnis stellen die Regelungen zum Mieterstrom dar. Ohne umfassende Reformen, die über das Solarpaket I hinausgehen, wird sich an dem Nischendasein des Mieterstroms nichts ändern“, heißt es in der Erhebung der Wissenschaftler. IW-Forscher Ralph Henger sagte unserer Redaktion: „Die Hürden sind weiterhin zu hoch. Die Politik sollte daher aktiv werden und eine Regulatorik schaffen, die für alle Parteien in einem Gebäude klare Verhältnisse schafft.“ Vor allem auf Mehrfamilienhäusern in Geschosswohnungen komme der Ausbau nicht voran. Das liege häufig auch daran, dass sich Eigentümergemeinschaften nicht einigen könnten.

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    Doch selbst ohne Wohneigentümergemeinschaft hat Mieterstrom der Studie zufolge noch ein erhebliches Potenzial. Würden dafür zum Beispiel ausschließlich Mehrfamilienhäuser öffentlicher Wohnungsbauunternehmen und auch die von Großvermietern wie Vonovia genutzt, könnten solche Photovoltaikanlagen auf immerhin 934.000 Gebäuden entstehen. Immerhin noch 16,07 TWh Strom könnten so jedes Jahr zusätzlich erzeugt werden.

    Mieterstrom ermöglicht es Mietern, grundsätzlich ihren Strom vom Vermieter zu beziehen. Der Gesetzgeber hatte dafür zuletzt einige Erleichterungen beschlossen. Dazu gehört zum Beispiel die Umsatzsteuerbefreiung auf Montage und Material der Solarpanels, keine Einkommensteuer auf Erträge der Einspeisevergütung sowie der Wegfall der EEG-Umlage im vergangenen Jahr. Ausreichend sei das aber nicht, so IW-Wissenschaftler Henger.

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    „Die Komplexität ist noch immer hoch, weil es mehrere Modelle gibt. Die Politik sollte die Eigentümer nicht alleine lassen“, forderte er. So dürfe die Planung von Mieterstrom kein maßgeschneidertes Verfahren sein, sondern müsse standardisiert und bundesweit umsetzbar sein. Grundsätzlich sollte auch die Vergütungslogik umgekehrt werden. Bisher ist es so, dass eine Volleinspeisung des Stroms höher entlohnt wird als die Überschussteileinspeisung. Dabei wird der Strom nach dem gedeckten hausinternen Bedarf ins Stromnetz eingespeist.

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    Bei Eigentümergemeinschaften in Mehrfamilienhäusern sei die größte Herausforderung aber der Entscheidungsprozess, so die IW-Analyse. Ein großes Risiko seien die geringen Mitmachquoten im Haus. Unter anderem sollte deshalb die Vertragsfreiheit, die auch bei der Wahl des Stromanbieters gilt, bei Mieterstrommodellen in eine Widerspruchslösung umgewandelt werden.