Erfurt. Pop-Tunes und Synthesizer: Die Manic Street Preachers vergrämten 2004 ihre Hörer mit einem neuen Ansatz. Jetzt erscheint „Lifeblood“ erweitert und muss neu bewertet werden.

Es sollte die Neuerfindung der Manic Street Preachers werden: Nach ihrer Best of „Forever Delayed“, die die erste Dekade der walisischen Band resümierte und feierte, wollte das Trio mit seinem siebten Album vielleicht nicht alles, aber vieles anders machen.

Die erste Idee für einen Song? Verworfen. Der gepflegt rockige Bombast als Markenzeichen-Sound? Deutlich zurückgefahren. Die punkige Grundhaltung? Eingedämmt. Als die Band „Lifeblood“ im Jahr 2004 veröffentlicht, sind Kritiker und Fans verwirrt: Der Pop-Ansatz und der Einsatz von Synthesizern werden als Rückschritt empfunden. Das Album wird kommerziell ein Desaster, gemessen an ihren vorherigen Veröffentlichungen.

Abkehr von der Routine, einen Manics-Song zu schreiben

Gitarrist und Sänger James Dean Bradfield, Bassist und Texter Nicky Wire sowie Schlagzeuger Sean Moore schielten zwar nie zuvorderst auf den Charterfolg. Doch die Kritiken und fehlenden Verkäufe machen etwas mit der Band, die lange Zeit mit dem Album haderte. „Lifeblood“ wird ein Wendepunkt, obwohl der Vorgänger „Know your Enemy“ bereits mit alten Gepflogen- und Hörgewohnheiten gebrochen hatte, wenn auch mit eher schroffen und kantigen Stilmitteln.

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Der nächste Schritt aber ist kein Zurück zu alten Tugenden.

„Don’t trust your first Idea“, beschreibt Bradfield den Ansatz für „Lifeblood“: Die erste Idee für ein Lied wurde meist verworfen. Man wollte weg vom üblichen Weg, einen Manics-Song zu schreiben und aufzunehmen. Es klang, wie man noch nie geklungen habe, gibt Nicky Wire im Booklet der remasterten Neuauflage zum 20-Jährigen des Albums zu Protokoll. „Es klang nicht mal nach uns selbst.“ Doch das war noch nicht das erstaunlichste: Die Band war sich laut Wire noch nicht mal sicher, ob sie diesen Weg mochte.

Das Cover des Albums „Lifeblood“ von Manic Street Preachers aus dem Jahr 2004.
Das Cover des Albums „Lifeblood“ von Manic Street Preachers aus dem Jahr 2004. © Sony Music
Das Cover der Jubiläumsedition „Lifeblood 20“ der Manic Street Preachers aus dem Jahr 2024.. Die Optik wurde nur marginal angepasst.
Das Cover der Jubiläumsedition „Lifeblood 20“ der Manic Street Preachers aus dem Jahr 2024.. Die Optik wurde nur marginal angepasst. © Columbia/Sony Music

Wie sehr die Band mit sich und ihrem Material gerungen hat, zeigen die Einblicke in den Produktionsprozess, die die neue Edition des Albums gewährt. Etwa mit den unterschiedlichen Demos der Lead-Single „The Love of Richard Nixon“. Oder dem leider nie als Single ausgekoppelten „1985“, das Soundexperte Steven Wilson nun mit einem bollernden Achtzigerjahre-Remix in Hochglanzpolitur adelt.

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Soundtechnisch und inhaltlich gehen sie in die genau diese Zeit: Ihre Jugend in den 80ern. Einige Songs nehmen sie mit Bowie-Produzent Tony Visconti auf, sind vom Ergebnis aber nicht recht überzeugt. Noch ein Novum: In „Cardiff Afterlife“ thematisieren sie in einem Lied erstmals Richey James Edwards, das seit 1995 verschollene vierte Bandmitglied.

Neue Edition ist ein sorgsam kuratiertes Kunstwerk

„Lifeblood 20“ gibt es als einfache CD, als schwarzes oder farbiges Doppel-Vinyl. Die Bonus-Songs sind nur auf der Version als Dreifach-CD enthalten, im gewohnten DVD-Package der Re-Releases der Bandalben mit neuen Liner Notes und vielen Fotos. Wie jedes Album der Manic Street Preachers ein sorgsam kuratiertes Kunstwerk. Dessen kritische Bewertung aus der Zeit der Erstveröffentlichung aber nicht mehr standhält.

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Die spröde Eleganz und nur scheinbar glatte Oberfläche der Songs zeigt sich vor allem bei den fünf Stücken für einen Auftritt bei der BBC, die ebenfalls unter den Bonus-Tracks sind. Ebenso das Dutzend B-Seiten, einige davon bisher nur in Japan veröffentlicht, mit unverzichtbaren Tracks wie „Voodoo Polaroids“ oder „Quarantine (In my Place of)”.

Und: Die Songs weisen den Weg in die Zukunft. Mit Alben, für die die Band mit unterschiedlichen Konzepten und Sounds experimentieren wird.

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Wir stellen in #langenichtgehört vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor. Alle Folgen gibt es hier.