Erfurt. Ein Buch mit Fotos von Paul McCartney dokumentiert die entscheidende Phase des Aufstiegs der Beatles zur einflussreichsten Band der Welt.
Die Beatlemania war nicht jedermanns Sache. George Harrison haderte ein Leben lang mit den Begleiterscheinungen des Ruhms, die hysterischen Massen der Sechzigerjahre vermisste er keinen Deut.
Sein einstiger Bandkollege Paul McCartney ist aus anderem Holz geschnitzt. Der passionierte Entertainer schreibt im Vorwort seines Bildbands „1964: Augen des Sturms“, dass die zudringlichen, jedoch friedvollen Fans ungewohnt gewesen waren und man sich der Gefahren durchaus bewusst gewesen sei. Aber er habe dies nicht als schrecklich empfunden: „Genau das hatten wir immer gewollt.“
Die Beatles werden zum Massenphänomen
60 Jahre ist es her, dass die Beatles „zum ersten wahrhaft globalen kulturellen Massenphänomen“ wurden, wie es in der Einleitung des Buches heißt. 275 Fotos zeigen das Anschwellen dieses gesellschaftsverändernden Orkans – aus dem Blickwinkel eines seiner Protagonisten.
McCartney hatte sich wie die anderen Beatles eine Pentax gekauft und knapp tausend Fotos in drei entscheidenden Monaten gemacht. Von Dezember 1963 bis Februar 1964 entwickeln sich die Beatles zu einem popkulturellen Ereignis, das zu einer Institution wird.
Millionen Menschen sehen die Beatles im US-TV
Die Reise der Fab Four geht von Liverpool über London und Paris nach New York, Washington, D.C. und nach Miami. Allein ihren Auftritt in der "Ed Sullivan Show" im US-Fernsehen sehen mehr als 70 Millionen Menschen. Es war ein Siegeszug.
Mit McCartney durch die Linse geschaut
Und ein Rausch an Eindrücken, die ab Ende Juni 2023 auch die National Portrait Gallery in London zeigt. Es sind Schnappschüsse wie Selfies vor dem Spiegel, nicht immer scharf fokussiert, die Beatles beim Rumalbern, beim Warten backstage oder beim Feiern am Pool.
Es gibt scheinbar belanglose Touristenaufnahmen wie das Weiße Haus in Washington im Winter. Kunstvolles, wie Auftritte anderer Künstler. Und Privates, etwa der Blick in den Hinterhof der Ashers, bei der Familie seiner Verlobten Jane lebte McCartney mehrere Jahre.
Fotos wurden zufällig in McCartneys Archiv gefunden
Die Bilder haben McCartney und sein Team mehr oder weniger zufällig im Jahr 2020 wiedergefunden, als sie eine Ausstellung seiner verstorbenen Frau Linda, einer Fotografin, vorbereiteten. Die Fotos wechseln von Schwarz-Weiß auf Bunt just in dem Moment, als es in den Süden nach Miami geht. Es könnte auch künstlerisches Mittel sein: Die Beatles hatten es geschafft.
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Der Buchtitel ist kein Fehler der Übersetzung: McCartney hat bewusst die Mehrzahl, also Augen, gewählt. Die Begründung: Die Band sei zwar in der Mitte des selbst ausgelösten Sturms gewesen, aber es gab so viele unterschiedliche Ansichten der Ereignisse, von Fans, der anderen Musiker oder von Fotografen. Einige wenige Bilder des Buchs stammen zudem von Bandkollegen, Roadies oder Managern.
Historikerin und Harvard-Professorin Jill Lepore hat eine gelungene Einleitung für das Buch verfasst, die Musik, Politik und Gesellschaftliches erklärt, einordnet und die Bedeutung der lange im Archiv verschollenen Fotos markiert: „Sie bieten einen Blick von der Galerie auf Beatleland“.
Paul McCartney: 1964: Augen des Sturms, C.H.Beck, 336 Seiten, 49,90 Euro
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