Bad Blankenburg. Nachhaltige Wege, noch mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren – darum geht es bei der Zusammenkunft.

Der Arbeits- und Fachkräftemangel beschäftigt nicht nur die Politik. Auf dem 13. Sozialkongress der Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein wurde am Donnerstag über nachhaltige Wege in die Arbeit beraten, für Menschen mit Behinderungen, für Langzeitarbeitslose und für ausländische Arbeitnehmer.

Arbeitskräftemangel bietet bessere Integrationschancen

Auf all diese Menschen sei unsere Wirtschaft dringend angewiesen. Statt Arbeitslosigkeit stelle der Fachkräftemangel inzwischen den Arbeitsmarkt vor besondere Herausforderungen. Aber genau darin liege auch die große Chance für Arbeitssuchende und die Integration von Menschen, erklärte Michael Behr, Abteilungsleiter im Thüringer Arbeitsministerium.

Das Land habe eine Wende von der Massenarbeitslosigkeit in den 1990er Jahren hin zum Arbeitskräftemangel vollzogen. „Den heutigen Arbeitskräftebedarf musste man sich hart erarbeiten“, betonte Sozialwissenschaftler Behr. Thüringen habe den besten Industriemix aller Bundesländer, aber auch eine hohe Dichte an Industriebetrieben, was sich gerade jetzt auch beim Anstieg der Löhne bemerkbar gemacht habe.

Freiwilligee Abschied inzwischen Hauptkündigungsgrund und nicht Entlassung

Weil auch der Anteil arbeitender Frauen hoch sei, hätten viele Familien von den jüngsten Lohnsteigerungen praktisch als „Doppelwumms“ profitiert. Aus „angstgetriebenen Arbeitsspartaniern seien selbstbewusste Arbeitnehmer“ geworden. Als Beispiel dafür nennt er die Entwicklung der freiwilligen Kündigungen. In den 2000er-Jahren habe es nur wenige gegeben. Heutzutage seien diese der Hauptgrund, ein Beschäftigungsverhältnis aufzulösen, weil die Chancen, sich zu verbessern, gut sind. Früher habe die Angst geherrscht, mit 46 zum Langzeitarbeitslosen zu werden.

Aktuell sei Thüringen ökonomisch deutlich stärker als demografisch. Immer noch würden junge Menschen abwandern. Es fehlen Arbeitskräfte. „Trotzdem ist seit 2005 die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sogar um 100.000 gestiegen und beträgt aktuell rund 800.000“, erklärte der Experte. Eine gute Nachricht für alle Rentenbezieher.

Seit 2005 haben deutlich mehr Ausländer sozialversicherungspflichtigen Jobs in Thüringen

Wie ist das gelungen? Laut Michael Behr wandelte sich der Arbeitsmarkt von der Selektion hin zur Kultur der Integration. 2010 seien beispielsweise rund 10.000 ausländische Arbeitnehmer in Thüringen beschäftigt gewesen. Inzwischen sind es 70.000. Ohne diese Zuwanderung in den Arbeitsmarkt würde es rund 40.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Thüringen weniger geben.

Michael Behr warnte davor, die aktuelle Situation schlecht zu reden. Denn das führe dazu, dass sich die Situation auch wirklich verschlechtere. Heutzutage könnten sich die Arbeitskräfte dann woanders einen neuen Job suchen. Er spricht von Selbstschädigung, beispielsweise durch Fremdenfeindlichkeit.

Trotz guter Entwicklung behindern viele Hürden Arbeitsintegration

Trotz dieser optimistischen Aussichten zeigten sich in den Debatten auf dem Kongress zahlreiche Probleme bei der konkreten Integration in den Arbeitsmarkt. Als Gründe wurden bürokratische Hürden und teils falsche oder fehlende Förderungen genannt. Um ausländische Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sei mehr Personal als bisher erforderlich, sowohl in den Jobcentern als auch bei den Unternehmen.

Eine Rednerin mahnte, dass Menschen in Altersarmut und auch mit Behinderungen in der heutigen Zeit Gefahr laufen, völlig abgehängt zu werden. Dasselbe ereignete sich bei der Digitalisierung, vor allem alte Menschen würden daran scheitern. Deutliche Kritik wurde an der handwerklichen Qualität von aktuellen Gesetzen der Bundesregierung zu Sozialleistungen geäußert.

Klaus Scholtissek warb noch einmal eindringlich für ein weltoffenes Thüringen. „Ohne Weltoffenheit geht vieles verloren, ohne Weltoffenheit werden wir die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht bewältigen können“, betonte der Vorsitzende der Geschäftsführung der Diakoniestiftung.