Berlin. Mit der AfD legen EU-Gegner und extreme Rechte in Deutschland richtig zu. Das ist ein wirklich schlechtes Omen für die nächsten Wahlen.

Europa hat gewählt und wenn man mit europäischer Seele auf Deutschland blickt, ist das Ergebnis traurig. Ausgerechnet die EU-feindliche „Alternative für Deutschland“ hat im Vergleich zur letzten Europawahl zugelegt, obwohl ihr Spitzenkandidat wegen dubioser China-Kontakte kaltgestellt war und die Partei von einem Skandal zum anderen eilte.

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Jetzt wird die Partei, die sogar dem rechten Parteienbündnis zu rechtsextrem war, weiter daran arbeiten, die EU von innen auszuhöhlen. In Wahrheit will man bei der AfD die Europäische Union abschaffen und durch ein anderes, nationalistisches Konstrukt ersetzen. Daher ist das deutsche Wahlergebnis nicht gut für den europäischen Einigungsprozess und auch eine schallende Ohrfeige für die Ampel.

Die Gründe für das Wahlergebnis liegen auf der Hand

Die SPD, die die Regierung anführt und den Bundeskanzler stellt, stürzt erneut auf ein historisches Tief. Noch schlechter als bei der letzten Europawahl abzuschneiden, muss man erst mal hinbekommen. Die Grünen halbieren sich fast und können ihren Traum, in der näheren Zukunft eine Bundesregierung anzuführen, begraben. Die FDP bleibt Kellerkind und wird sogar von Sahra Wagenknecht abgehängt. Das ist wahrlich ein bitteres Ergebnis für diejenigen, die mit der Macht des Amtes in den Wahlkampf zogen. Dass die Union gut abschneidet, hilft dem Parteivorsitzenden, der ja nicht nur Wahlen gewinnen, sondern auch Kanzler werden will.

Dieses Wahlergebnis mit der erstarkten AfD hätte zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können. Russland baut auf eine destabilisierte Europäische Union. Und das Erstarken russlandfreundlicher Kräfte ist leider ein verheerendes Signal in einer Zeit, in der der Kreml europäische Grenzen mit Gewalt verschieben will. Die Gründe für das Wahlergebnis liegen auf der Hand: In einem sterbenslangweiligen Europawahlkampf, mit zum Teil unbekannten Spitzenkandidatinnen und -kandidaten, ist kein Funke zum Wähler übergesprungen. Nicht die Faszination Europa, sondern die diffuse Angst vor überbordender Migration, zu viel Bürokratie und einem Abstieg der deutschen Wirtschaft hatte sich über diesen Wahlkampf gelegt und die Stichworte dazu hörte man aus allen Parteien.

Jörg Quoos ist Chefredakteur der Funke Zentralredaktion Berlin.
Jörg Quoos ist Chefredakteur der Funke Zentralredaktion Berlin. © ZRB | Dirk Bruniecki

So schafft man gerade bei den Jungen, die bei dieser Europawahl zum ersten Mal ihre Stimmen abgeben durften, keine Begeisterung für das erfolgreichste Friedensprojekt des vergangenen Jahrhunderts. Dazu kam noch der Frust über eine Bundesregierung, die nach eigenem Bekunden beim Wähler „Grenzen austesten“ wollte, statt Politik für ihn zu machen. Solche Sätze, wie der von Robert Habeck über das vermurkste Heizungsgesetz, prägen sich bei den Menschen länger ein, als mancher in der Regierung glauben mag.

Es fehlt die charismatische Stimme für das starke Europa

Zu guter Letzt fehlte die charismatische Stimme für das starke Europa. Es gibt nicht mehr die ganz großen Europäer, die – klug geworden in der Hölle des Zweiten Weltkriegs – die Vision des gemeinsamen friedlichen Europas beschwören können. Ihre Kinder, aufgewachsen in Frieden und Wohlstand, tun sich viel schwerer damit.

'Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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Die Wählerinnen und Wähler der AfD brauchen das alles nicht. Sie brauchen nicht einmal einen seriösen Spitzenkandidaten, um ihr Kreuz ganz rechts zu machen. Sie haben sich längst entschieden – leider gegen Europa. Das ist traurig für den Kontinent und das denkbar schlechteste Omen für die kommenden Wahlen.