Gera. Bei der Europawahl haben zwei Parteien kräftig zugelegt – ausgerechnet jene, die Europa kritisch sehen. Ein Armutszeugnis, findet Nils R. Kawig.

Fast die Hälfte der Thüringer Wähler hat sich für Protest entschieden – und bei der Wahl am Sonntag Denkzettel verteilt. Es ist unübersehbar, dass die Thüringerinnen und Thüringer weniger Europäische Union wollen, mit der Bundesregierung in Berlin höchst unzufrieden sind und sich eine andere Ukraine-Politik wünschen. Anders sind die hohen Zustimmungswerte für AfD und BSW kaum zu erklären.

'Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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Die Noten für die Parteien auf Landesebene fallen kaum besser aus: Wenn es eine politische Kraft in Thüringen gibt, die das Abstrafen der Wähler halbwegs schadlos überstanden hat, dann ist das die CDU, die ihr Ergebnis von der letzten Europawahl in etwa halten konnte und sich weiter konsolidiert.

Parteien der rot-rot-grünen Landesregierung werden abgestraft

Ganz schlimm sieht es dagegen für die Parteien der rot-rot-grünen Landesregierung aus: Die Linke nähert sich der Bedeutungslosigkeit, Bündnis 90/Die Grünen ist darin bereits versunken, und die SPD kommt auf unvorteilhafte Werte. Sollte sich dieser Abwärtstrend bis zur Landtagswahl im September fortsetzen, könnten Ramelow und Co. einpacken, bevor der nächste Wahlkampf so richtig beginnt.

Nils R. Kawig ist Chefredakteur der Ostthüringer Zeitung.
Nils R. Kawig ist Chefredakteur der Ostthüringer Zeitung. © FUNKE | OTZ

Nun ist es keine Überraschung, dass viele Menschen die Europawahl nutzen, um ihren Unmut gegenüber den Regierungen auf Bundes- und Landesebene auszudrücken. Aber das aktuelle Ergebnis ist besorgniserregend, bringt es doch eindeutig auf den Punkt, wie weit Politik und Bevölkerung voneinander entfernt sind. Ein Armutszeugnis für die Politik.