Berlin. Ist ein Balkonkraftwerk mit 800 Watt offiziell erlaubt? Im Solarpaket I wird eine neue Obergrenze definiert – es gibt aber einen Haken.

Je mehr Solarmodule, desto mehr Strom kann in das Hausnetz eingespeist werden – es gibt aber Obergrenzen.
Je mehr Solarmodule, desto mehr Strom kann in das Hausnetz eingespeist werden – es gibt aber Obergrenzen. © Astrid Gast - stock.adobe.com | stock.adobe.com

Weg von fossiler Energieerzeugung und stattdessen erneuerbare Energien nutzen – das Ziel: bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Häufig fällt in dem Zusammenhang der Begriff autark. Im privaten Sektor bedeutet das, sich von der öffentlichen Wärme- und Energieversorgung unabhängiger zu machen. Photovoltaik bietet hier viel Potenzial. Statt einer großen Solaranlage kann ein kleines Balkonkraftwerk der erste Schritt sein.

Balkonkraftwerk mit 800 Watt erlaubt? Ministerium verpasst Dämpfer

Vom Balkonkraftwerk fürs Dach über frei stehende Solaranlagen bis zum Balkonkraftwerk mit Speicher hat sich der Markt über die Jahre rasant entwickelt. Neben kleinen Kraftwerken mit einem Solarmodul gibt es mittlerweile Sets mit über 1000 Watt (Einspeise-) Leistung zu kaufen. Das seit Mai geltende Solarpaket I hat für Balkonkraftwerke zudem erfreuliche Änderungen gebracht. Ein Punkt darin: Die Einspeiseleistung wurde von 600 auf maximal 800 Watt (W) angepasst.

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Die Wattzahl gibt an, wie viel Strom ein Balkonkraftwerk ins Stromnetz einspeist. Doch trotz der Gesetzesänderung ist die 800-W-Grenze noch nicht gültig. Grund dafür ist die fehlende Änderung der Normierung, wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) mitteilte. Zuständig ist der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (kurz VDE)

Balkonkraftwerk: Was bedeutet die Wattzahl?

Es gibt einen Unterschied zwischen der Leistung, welche das Balkonkraftwerk erzeugen kann, und der, die tatsächlich ins Hausnetz eingespeist wird. „Erstere ist abhängig davon, wie viele Solarpanels zum Balkonkraftwerk gehören und welche Maximalleistung diese bereitstellen“, erklärt Dr. Lotta Kinitz, Ingenieurin und Energieexpertin vom Verbrauchermagazin IMTEST. Je nach PV-Anlage könne die sogenannte Peak-Leistung der Panels zwischen 100 und 2.000 Watt liegen. 

Was tatsächlich ins Stromnetz weitergegeben wird (Nennleistung), ist gesetzlich begrenzt. Aktuell gilt die Obergrenze von 600 Watt. Derzeit wird an einer Norm gearbeitet, die eine neue Obergrenze von 800 Watt vorsieht. Entscheidend ist hier der Wechselrichter. Er wandelt den Gleichstrom der Solarpanels in netzüblichen Wechselstrom und speist in ins Stromnetz ein. Er reguliert auch die Menge und damit die Nennleistung, die ins Stromnetz fließt.

Balkonkraftwerke: Wie 800-W-Wechselrichter trotzdem möglich sind

Derzeit werde von der Deutschen Kommission Elektrotechnik eine Produktnorm zu Stecker-Solargeräten erarbeitet, die zukünftig Wechselrichterleistungen bis 800 Watt erlauben würde, heißt es vom Wirtschaftsministerium. Für die Verbraucher heißt das: Bis die neue Produktnorm steht, gilt weiter die bisherige Obergrenze von 600 W. Mehr darf offiziell also nicht ins öffentliche Netz eingespeist werden.

Das Ministerium stellt gegenüber dem MDR klar: „Derzeit darf der Wechselrichter einer Balkonsolaranlage eine Nennleistung von maximal 600 Watt beziehungsweise Voltampere haben.“ Das ergebe sich aus der technischen Normung. Dem VDE zufolge sei die Normierung derzeit in Arbeit. Bis Ende des Jahres soll der Prozess abgeschlossen sein und eine neue Norm stehen. Bis dahin haben Verbraucher zwei Möglichkeiten:

  1. Ein Balkonkraftwerk mit einem Wechselrichter mit einer Nennleistung von 600 W wählen.
  2. Ein Balkonkraftwerk mit Wechselrichter wählen, der manuell oder per App gedrosselt werden kann

Balkonkraftwerk mit 600 oder 800 Watt – was ist besser?

Der Vorteil von einem Balkonkraftwerk mit 600 W ist der oft günstigere Preis im Vergleich zu Sets mit 800-W-Wechselrichter – sie bieten sich etwa für Balkone an, wo die Solarmodule nicht richtig ausgerichtet werden könne oder wo es zu viel Verschattung gibt. Wer sich für größere Balkonkraftwerke mit 800 W interessiert, sollte zunächst die örtlichen Gegebenheiten prüfen. Leistungsstarke Balkonkraftwerke nützen wenig, wenn die örtlichen Gegebenheiten nicht optimal sind.

Grundsätzlich verboten sind Wechselrichter mit einer Nennleistung von über 600 Watt nicht. Diese Geräte müssen aber gedrosselt werden können. Der Vorteil hier: Kommt die neue Normierung, kann der Wechselrichter einfach umgestellt werden. Die 800 Watt sind bei einigen Wechselrichtern der Standard. Das Balkonkraftwerk Quattro von kleines Kraftwerk* oder auch das Black-L-Set von Entratek* gibt es sogar schon mit 1600 Watt.

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Balkonkraftwerk mit 800 Watt: Was Verbraucher hier beachten sollten

Inklusive Speicher kosten Balkonkraftwerke mit leistungsstarken Wechselrichter nicht selten vierstellige Beträge. Aus Sicht von Dr. Hermann Dinkler kann sich die Investition lohnen. Dinkler ist Energieexperte im TÜV-Verband und hat gegenüber unserer Redaktion Tipps zur Effizienzsteigerung von Balkonkraftwerken gegeben. „Mit weiteren Solarpaketen könnte sich die Obergrenze in naher Zukunft immer mehr der zulässigen Spitzenleistung annähern.“

Ein Balkonkraftwerk hat eine durchschnittliche Lebensdauer von circa 20 bis 25 Jahren. Wer sich ein Balkonkraftwerk mit 800 Watt oder mehr zulegt, ist für kommende Normierungen der Leistungsobergrenze gut gerüstet. Neben den örtlichen Gegebenheiten ist bei solchen Sets auch das Thema Platz zu beachten. Für über 1000 Watt benötigt es entsprechend leistungsfähige Solarmodule. In den Sets von kleines Kraftwerk und Entratek sind jeweils vier Module enthalten, die alle montiert werden müssen.

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Balkonkraftwerk an Haushaltssteckdose anschließen – was ist erlaubt?

Von Bedeutung ist auch das Thema Steckdose. Ein Balkonkraftwerk soll künftig an eine normale Haushaltssteckdose angeschlossen werden können. Doch auch hierzu muss noch eine Norm erarbeitet werden. Deshalb gilt auch hier: Bis es so weit ist, gelten für ein Balkonkraftwerk die bisherigen Vorgaben. Wie auch bei der Nennleistung für Wechselrichter haben Verbraucher mehrere Optionen, das Balkonkraftwerk ans Netz anzuschließen:

  1. Über eine Energiesteckvorrichtung: Das ist die gängigste Methode. Wechselrichter und Stromnetz werden über den Wieland-Stecker verbunden.
  2. Über eine Energiesteckdose: Statt einem Verbindungsstecker (Wieland-Stecker) wird der Wechselrichter über eine besondere Steckdose direkt angeschlossen.
  3. Über eine Elektronikfachkraft, die das Balkonkraftwerk direkt verdrahtet.

Dem MDR zufolge werden einige Balkonkraftwerke aber schon jetzt direkt an die Haushaltssteckdose (Schuko-Stecker genannt) in Betrieb genommen. Als Grund hierfür gibt der Verbraucherzentrale Bundesverband an, dass der Anschluss der Wechselrichter über Schuko-Stecker laut den bisherigen Regularien nicht „explizit verboten“ ist. Und zur Wahrheit gehört auch: Ob die Vorgaben überall eingehalten werden, lässt sich von behördlicher Seite nur schwer kontrollieren.

Ein Wieland-Stecker ist dafür gemacht, Strom in die andere Richtung zu transportieren, von der Solaranlage in die Steckdose hinein und nicht wie sonst aus der Steckdose heraus.
Ein Wieland-Stecker ist dafür gemacht, Strom in die andere Richtung zu transportieren, von der Solaranlage in die Steckdose hinein und nicht wie sonst aus der Steckdose heraus. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Balkonkraftwerk: Bürokratie behindert Energiewende – unser Fazit

Unser Fazit: Der Markt für Balkonkraftwerke boomt. Wichtige Aspekte wie die Norm für die Einspeisung ins Stromnetz oder die Art der Stecker stehen aber noch nicht – das ist ärgerlich. Etwa, wenn das Balkonkraftwerk deutlich mehr leisten kann und wegen einer fehlenden Normierung im Sparbetrieb laufen muss. Die Änderungen im Solarpaket I sollten bürokratische Hürden abbauen – bei der Anmeldung von Balkonkraftwerken hat das gut geklappt.

Leider haben die Änderungen aber neue Hürde mitgebracht. Jetzt liegt es am VDE und zuletzt an der Politik, Klarheit zu schaffen – denn fest steht, dass Balkonkraftwerke einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten können. Dank kommunaler Förderungen für Balkonkraftwerke erhöht sich der Anreiz. Zumal sich über den eingesparten Strom die Kosten für ein Balkonkraftwerk über die Jahre amortisieren.

++ Themenseite Balkonkraftwerk ++

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