Düsseldorf. Die Ukraine besiegte die Slowakei bei der EM mit 2:1 - und schenkte dem vom Krieg geplagten Land einen Abend der Freude.

Wie viel dieser Sieg bedeutete, dass er für die Ukraine mehr wert war als allein drei Punkte im EM-Klassement, konnte jeder Zuschauer - ob vor dem TV oder im Stadion - sehen, der ins Gesicht von Roman Yaremchuk blickte. Tränen füllten dessen Augen, er sank auf die Knie, ergriffen blickte er in die Fankurve, als Spieler und Anhänger gemeinsam mit erhobenen Händen und klatschend „U - KRA - I - NA“ brüllten, die ukrainische Version des Landesnamens. Yaremchuk hatte gegen die Slowakei das 2:1 (0:1)-Siegtor erzielt und einem ganzen Land in ganz schwierigen Zeiten einen Abend Freude beschert. „Wir haben unser Leben und all unsere Emotionen für den Sieg gegeben“, sagte Yaremchuk.

Grußwort von Ukraines Präsident Selenskyi

Die Mission der ukrainischen Mannschaft ist nicht allein eine sportliche. Präsident Volodymyr Selenskyi sprach vor dem Spiel zur Mannschaft. Die Spieler liefen nicht allein - wie üblich - mit Trikot und Trainingsjacke auf. Während sie die Nationalhymne sangen, hätten sie eine Fahne in den Landesfarben um ihre Schulter gelegt. Selenskyi sagte nach dem Sieg: „Wir alle müssen an unserer eigenen Stelle kämpfen, für Freiheit, Leben und die richtige Wahrnehmung der Ukraine in der Welt.“ Den Fußballern rief er zu: „Weiter geht‘s Leute! Es steht der nächste wichtige Kampf an.“

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Für die Spieler ist diese Last beinahe unerträglich. Schwierig ist es für sie, jeden Tag Kriegsbilder zu sehen von zerschossenen Städten. Immer neue Nachrichten über Kriegstote erreichen das Trainingscamp, Tag für Tag für Tag. „Damit müssen wir umgehen“, sagte Mykola Shaparenko, der das Tor zum 1:1 erzielt (54.) und Yaremchuks Siegtor vorbereitet hatte. „Wenn wir das nicht könnten, wären wir nicht hier“, sagte der 25-Jährige, der zum „Man of the match“ ausgezeichnet wurde. Trainer Serhij Rebrov lobte seine Spieler: „Wir repräsentieren ein Volk, dass um die Freiheit für die Ukraine und Europas kämpft.“

Ex-Donezk-Trainer Lucescu prophezeit Halbfinal-Einzug

Doch was kann die ukrainische Mannschaft sportlich erreichen? Sie ist so talentiert, dass der erfahrene, langjährige Donezk- und Kiew-Trainer Mircea Lucescu ihr den Einzug ins Halbfinale zutraut. Bekanntester Spieler ist Oleksandr Zinchenko (27), der seit vielen Jahren in England spielt, aktuell bei Manchester City unter Vertrag steht. Zum Kader gehört aber auch der aktuelle spanische Torschützenkönig Artem Dovbyk (FC Girona, 24 Saisontore). Der Marktwert des Mittelfeldspielers Mykhaylo Mudryk (23) beträgt 35 Millionen Euro - er spielt für den FC Chelsea. Selbst bei den Torhütern hat Rebrov die Qual der Wahl: Anatoliy Trubin (Benfica Lissabon) und Andriy Lubin (Real Madrid) wechselten sich bisher ab.

Doch genügt das, um ins Achtelfinale einzuziehen? Am Mittwoch (18 Uhr in Stuttgart) hat die Ukraine eine realistische Chance, um weiterzukommen. Gegner ist Belgien. Es dürfte das nächste emotionale Spiel werden.