Berlin. Ein neues Gesetz macht Anpassung an den Klimawandel in Deutschland zur Pflicht. Doch woher das Geld dafür kommen soll, ist unklar.

Daniel Knopfs gefährlichster Gegner ist unsichtbar. Wenn der Sommer kommt, wird es in Jena, im Tal an der Saale, heiß – heißer als in den meisten anderen Städten Mitteldeutschlands. „Hitze ist hier das größte Problem“, sagt er.

Knopf hat eine große Aufgabe: Als Klimaanpassungsmanager der Stadt Jena sorgt er dafür, dass die Stadt und ihre Verwaltung sich, so gut es geht, darauf vorbereiten, dass das Wetter mit dem fortschreitenden Klimawandel instabiler und extremer wird. Seit 2022 ist er einer von einer wachsenden Zahl von Klimaanpassungsmanagern in Städten und Gemeinden.

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Mit immer neuen Temperaturrekorden und damit mehr Wetterextremen steigt der Druck, sich anzupassen auf die Veränderungen durch die Klimakrise – global und auch in Deutschland. Am Montag tritt ein Gesetz in Kraft, das einen bundesweiten gesetzlichen Rahmen für diese große Aufgabe schafft.  

Klimaanpassungsgesetz: Wettlauf gegen die Zeit

Mit dem Klimaanpassungsgesetz aus dem Haus von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), das Ende 2023 verabschiedet wurde, gibt der Bund sich selbst und den Ländern Hausaufgaben. Die Bundesebene verpflichtet sich darin, bis Ende September 2025 eine Klimaanpassungsstrategie mit „messbaren Zielen“ vorzulegen und alle vier Jahre fortzuschreiben. Das Ministerium hat dabei schon signalisiert, dass man vor der Frist fertig sein und bis Ende dieses Jahres eine Strategie vorlegen will. Die Länder müssen jeweils eigene Strategien und Maßnahmenpläne vorlegen, bis 2027. In den Kommunen und Kreisen sollen konkrete Klimaanpassungskonzepte für die Umsetzung vor Ort erstellt werden.

Lemke drängt darauf, dass das Thema zügig angegangen wird. Denn die Anpassung, ebenso wie Klimaschutz in Form von eingesparten Treibhausgasemissionen, ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Schon jetzt richten Extremwetterereignisse auch in Deutschland immer wieder nicht nur große Schäden an, sondern gefährden auch Leben. Zuletzt waren es die Hochwasser in Süddeutschland, die sechs Menschen das Leben gekostet haben und laut DWD durch den Klimawandel wahrscheinlicher gemacht wurden. Auch große Hitze ist eine Gefahr, vor allem für ältere Menschen und Kinder – im Sommer 2022 starben nach Einschätzung des RKI 4500 Menschen in Deutschland wegen der hohen Temperaturen.

Viele Städte und Gemeinden haben sich in den vergangenen Jahren bereits auf den Weg gemacht. Doch gerade in Kommunen mit leeren Kassen musste Anpassung bisher oft hintanstehen. Mit dem neuen Gesetz soll sich das jetzt ändern.

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    Denn Landes- und Bundesebene geben zwar den Rahmen vor. Aber umgesetzt werden muss Anpassung am Ende vor Ort, von Menschen wie Daniel Knopf: Wo und welche Bäume gepflanzt werden, um Straßen zu kühlen, wie ein sinnvoller Hitzeschutzplan aussieht und welche Flächen entsiegelt werden können, lässt sich nicht in Berlin oder den Landeshauptstädten entscheiden.

    Sollen Flächen unversiegelt bleiben oder bebaut werden?

    Die Menschen, sagt Daniel Knopf, stehen den Änderungen, die Anpassung nötig macht, meistens positiv gegenüber. „Anpassungsmaßnahmen drehen sich viel um Begrünung und darum, Erholungsräume zu schaffen“, sagt er. „Das ist akzeptiert und wird gewollt von den Leuten.“

    Und trotzdem steht Anpassung immer wieder auch im Zentrum von Konflikten. Etwa wenn es darum geht, ob Flächen bei knappem Raum in vielen Gemeinden unversiegelt und weitgehend ungenutzt bleiben können, weil so Wasser versickern und Pflanzen bleiben können, oder ob nicht doch Bauprojekten der Vorrang gegeben wird.

    Vor allem aber, sagt er, sei Anpassung eine Frage von Ressourcen. „Man braucht Geld und Personal, wenn man etwas umsetzen will“, erklärt Knopf. Thüringen, wo er arbeitet, habe generell eine gute Förderkulisse für Anpassungsmaßnahmen, viele Sachen seien möglich, ohne dass eine Mehrbelastung für den Haushalt der Stadt entsteht. Doch das ist nicht überall so. Und das neue Gesetz regelt zwar, dass Anpassung angegangen werden muss – aber nicht, wer das bezahlt.

    „Wir rechnen mit Investitionsbedarfen von mindestens acht Milliarden Euro pro Jahr“

    Der Deutsche Städte- und Gemeindebund erwartet deshalb, dass Kommunen bei der Anpassung verlässlich finanziell unterstützt werden vom Bund und von den Ländern. Das Klimaanpassungsgesetz sei „ein richtiger Schritt“, sagt André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, unserer Redaktion. Aber Anpassung gebe es nicht zum Nulltarif.

    Neben der Erstellung von Klimaanpassungskonzepten müssten in der Praxis auch konkrete Maßnahmen, wie zum Beispiel Maßnahmen zur Regenwasserrückhaltung, hinsichtlich der Flächenentsiegelung oder auch zur baulichen Anpassung der Innenstädte für den Hitzeschutz umgesetzt werden. „Wir rechnen mit Investitionsbedarfen von mindestens acht Milliarden Euro pro Jahr für Klimaschutz und Klimaanpassung allein in den Kommunen“, sagt er.

    'Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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    Das Geld dafür, fordert der Städte- und Gemeindebund, sollte aus einer neuen Gemeinschaftsaufgabe kommen. „Dieses Instrument hat sich in anderen Bereichen, etwa beim Küstenschutz, bereits bewährt“, sagt Berghegger.

    Gemeinschaftsaufgaben ermöglichen dem Bund, mitzuplanen, zu verwalten und zu finanzieren bei Aufgaben, die eigentlich Sache der Länder sind. Bisher gibt es zwei – eine für die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, eine für Agrarstruktur und Küstenschutz. Beide sind festgehalten im Grundgesetz. Damit Klimaanpassung die dritte Gemeinschaftsaufgabe werden könnte, müsste die Verfassung geändert werden. Dass das noch in dieser Legislatur gelingt, gilt aber als unwahrscheinlich.