Gera. Am Landgericht Gera gab es einen ungewöhnlichen Verhandlungstag: Das war aber nicht die einzige ungewöhnliche Maßnahme, um Prozesse zu sichern.

Darf ein Gericht auch am Sonntag ein Urteil in einer Hauptverhandlung sprechen? Diese Fragen stellten uns Leser nach der Berichterstattung über einen Prozess am Landgericht Gera, der am Sonntag zu Ende gegangen ist.

Eine Internetrecherche zeigt keinen Präzedenzfall an anderen Gerichten. Prinzipiell gibt es in der Justiz Bereitschaftsdienste, um beispielsweise auch am Wochenende Entscheidungen über Haftbefehle zu treffen. Dass ein Gericht am Wochenende in einer Hauptverhandlung tagt, kommt durchaus in seltenen Fällen vor. Bislang fand diese Verhandlungen am Landgericht Gera aber immer samstags statt.

Strikte Regeln für den Anlauf eines Strafverfahrens

Im aktuellen Fall war das Gericht aber in einer besonderen Bredouille. Gerade in Haftsachen gilt das Beschleunigungsgebot: Gerichte dürfen die Prozesse nicht auf die lange Bank schieben. Die Strafprozessordnung sieht vor, dass zwischen zwei Verhandlungstagen maximal drei Wochen liegen dürfen. Aller zehn Verhandlungstage ist auch eine vierwöchige Unterbrechung möglich.

Doch gerade in der Urlaubszeit ergeben sich Konstellationen, in denen diese Fristen nur mit Mühe umsetzbar sind. Beim aktuellen Verfahren war einer der Anwälte, der nach über einem Jahr Hauptverhandlung noch sein Plädoyer halten musste, im Urlaub und konnte deshalb nur einen Termin am vergangenen Wochenende realisieren. Ein Schöffe wiederum war vor seinem Urlaub nur noch am Sonntag verfügbar, so dass es zur ungewöhnlichen Ansetzung kam.

Vorsitzende hat alle Konstellationen geprüft

Die Vorsitzende Andrea Höfs, zugleich Vizepräsidentin des Landgerichtes, hatte vorab geprüft, ob dies in Fällen akuter Terminnot möglich ist. Der Bundesgerichtshof hatte in einem Fall an einem anderen Gericht eine zu lange Pause beanstandet, weil der dortige Vorsitzende nicht in Betracht gezogen hatte, am Wochenende zu verhandeln. Die Verteidiger der Angeklagten waren mit dem Vorgehen einverstanden.

Andrea Höfs ist die Vizepräsidentin des Landgerichtes Gera.
Andrea Höfs ist die Vizepräsidentin des Landgerichtes Gera. © FMT | Tino Zippel

Bei einer Verhandlung am Sonntag muss wie in anderen Prozessen auch die Öffentlichkeit gewahrt sein, also der freie Zugang für interessierte Besucher möglich sein. Dies war beim Prozess am Sonntag gegeben, mehrere Zuschauer hörten das Urteil im Saal. Zudem mussten per Anordnung die Justizmitarbeiter in Dienst versetzt werden.

Schöffen müssen an allen Verhandlungsterminen teilnehmen

Mitunter sind aber auch andere ungewöhnliche Maßnahmen notwendig, um einen Prozess zu sichern. Zu den Grundregeln gehört, dass an jedem Prozesstag das Gericht in gleicher Besetzung antreten muss. Heißt: Neben den Berufsrichtern müssen auch die selben ehrenamtlichen Schöffen an jedem Termin teilnehmen, um alle Aspekte zur Urteilsfindung gehört zu haben.

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Das kann bei ungeplant langwierigen Verfahren zu Komplikationen führen. Höfs berichtet beispielsweise von einem einige Jahre zurückliegenden Fall, bei dem eine Schöffin aus ihrem Thailand-Urlaub für einen Verhandlungstag nach Gera eingeflogen wurde, damit der Prozess nicht von vorn beginnen musste.

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Gerichte tagen mitunter auch zu ungewöhnlichen Zeiten. In machen Verfahren sind Vor-Ort-Termine auch zu Nachtzeiten unumgänglich, um sich beispielsweise einen Eindruck von den Sichtverhältnissen am Tatort zu verschaffen. Auch im Verhandlungssaal laufen in seltenen Fällen Prozesse bis in die späten Abendstunden. Das Urteil am Sonntag gegen zwei Männer aus der Drogenszene wird einen neuen Platz in der Chronik einnehmen.

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