Gera. Eine Thüringer Juristin ist am Landgericht Gera angeklagt. Wir berichten von der Entscheidung der elften Strafkammer.

Das Landgericht Gera wird am Freitag das Urteil gegen eine ehemalige Richterin fällen. Die Staatsanwaltschaft Gera wirft ihr Rechtsbeugung vor, weil sie in einer Sache ihres Vaters entschieden hat. Die Urteilsverkündung hat die elfte Strafkammer unter Vorsitz von Marie Richter für 11.30 Uhr angesetzt: Unsere Zeitung berichtet direkt vom Urteil.

11.30 Uhr: Die Vorsitzende Marie Richter verkündet das Urteil: Die elfte Strafkammer verurteilt die Angeklagte wegen Rechtsbeugung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Für die entstandene Verfahrensverzögung bis zum Prozessbeginn gelten zwei Monate als vollstreckt. Die Strafe wird auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Als Auflage muss sie jeden Wohnsitzwechsel melden. Das Gericht ging davon aus, dass die Angeklagte mit der Sache vorbefasst war und absichtlich den gesetzlichen Ausschluss bei der Entscheidung über Sachen von Angehörigen ignoriert hat. Das sei eine elementare Rechtsverletzung, sagt die Richterin. Der Strafrahmen für eine Rechtsbeugung liegt zwischen einem und fünf Jahren Freiheitsstrafe. Die Kammer siedelte die Strafe somit am unteren Rand an. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die ausführliche Urteilsbegründung findet sich hier

11:25 Uhr: Vor der Urteilsverkündung sind etwa 20 Zuschauer im größten Saal des Justizzentrums Gera anwesend.

Freitag, 21. Juni, 9.50 Uhr: Die Angeklagte, die aktuell als Rechtsanwältin arbeitet und im Altenburger Land lebt, schließt sich in ihrem letzten Wort den Ausführungen ihres Verteidigers an.

Diesen Antrag stellt der Verteidiger der Angeklagten

Freitag, 21. Juni, 9 Uhr: Verteidiger Jörg Geibert beantragt einen Freispruch für seine Mandantin. Sie habe zwar einen Fehler begangen, aber den gesetzlichen Ausschluss unter zeitlichem, emotionalem und gesundheitlichem Druck übersehen. „Es mangelte am Vorsatz zur Beugung des Rechts“, sagt der ehemalige Thüringer Innenminister. Zumal die Entscheidung sachgerecht gewesen sei, Seelsorge bei einer sterbenden Person trotz der Corona-Auflagen zuzulassen.

Der Newsletter für Jena

Alle wichtigen Informationen aus Jena, egal ob Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur oder gesellschaftliches Leben.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Geibert kritisierte, dass das Verfahren überhaupt am Landgericht Gera stattfand, wo die damalige Proberichterin einst selbst beschäftigt war. Zudem sprach er über die persönliche Verquickung eines an der Entscheidung beteiligten Richters, dessen Ehefrau die Vertreterin seiner Mandantin an jenem Tag des Bereitschaftsdienstes war. Der Landgerichtspräsident Götz Herrmann, der Ermittlungsführer war, habe Belastungseifer gezeigt. Als er zu seiner Zeugenaussage zu spät gekommen sei, habe er eine bevorzugte Behandlung erfahren. Auch habe das Landgericht angeforderte Unterlagen nur unvollständig vorgelegt.

Diesen Antrag hatte die Staatsanwaltschaft gestellt

Mittwoch, 19. Juni: Staatsanwalt Philipp Giesecke beantragt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, die gegen eine Zahlung von 3000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zur Bewährung ausgesetzt wird. „Es geht nicht um Corona oder eine alte Frau. Es geht um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters. Das hat die Angeklagte bewusst missbraucht“, sagte er in seinem Plädoyer. Er ging von einer Vorabsprache der Angeklagten mit ihrem Vater aus, ihm Zugang zum Seniorenheim zu gewähren.

Unsere Gerichtsberichte zum Fall

Eine Solidaritätsbekundung für die angeklagte Richterin stand am 16. Mai 2024 vor dem Eingang des Landgerichtes Gera.
Eine Solidaritätsbekundung für die angeklagte Richterin stand am 16. Mai 2024 vor dem Eingang des Landgerichtes Gera. © FMG | Tino Zippel

Darum geht es im Fall: Die angeklagte Richterin hatte im April 2020 im Bereitschaftsdienst eine einstweilige Verfügung erlassen, die ihr Vater beantragt hatte. Er war als Pfarrer tätig und wollte beim Amtsgericht Jena erreichen, trotz der Corona-Verordnungen Zugang zu einer sterbenden Frau zu erhalten, die in einem Seniorenheim in Jena wohnte. Seine Tochter erlaubte dies in einem Eilbeschluss.