Berlin. Forscher untersuchen die Überreste von Kindern, die von den Maya geopfert wurden. Dabei widerlegen sie einen alten Mythos.

Die Hochkulturen in Süd- und Mittelamerika der Maya, Inka oder Aztheken sind berüchtigt für ihre rituellen Menschenopfer. Sie alle töteten Menschen, um die Götter zu beschwichtigen. Den blutigen Ritualen fielen oftmals auch Kinder zum Opfer.

Archäologen fanden jetzt heraus, dass in Chichén Itzá, einer Maya-Stadt, die nach dem Zerfall des klassischen Maya-Reichs zu einer der einflussreichsten Städte der Hochkultur wurde, vor allem männliche Kinder und Jugendliche, die oft auch miteinander verwandt waren, geopfert wurden. Das belegt eine aktuelle Studie eines internationalen Forschungsteams, die im Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht wurde.

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Vor allem männliche Kinder wurden geopfert

Demnach stammten die untersuchten Menschenopfer aus der Zeit zwischen 600 und 1000 nach Christus. In diesem Zeitraum erlebte auch Chichén Itzá seine Hochzeit. Die menschlichen Überreste von mehr als 100 Kindern und Jugendlichen wurden schon vor Jahrzehnten bei Ausgrabungen in einer Zisterne entdeckt. Bei 64 von ihnen wurden jetzt im Rahmen der Studie DNA-Analysen vorgenommen.

Die Untersuchungen ergaben dabei, dass alle 64 untersuchten Opfer männlich waren, das jüngste gerade mal drei Jahre alt. Die ältesten seien im Teenageralter gewesen. Zwar war bereits bekannt, dass es in Chichén Itzá viele rituelle Menschenopfer gab. Für die Forscher war jedoch überraschend, dass nur männliche Kinder geopfert wurden.

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Auffällig viele Zwillinge unter den Opfern

„In Berichten aus dem frühen 20. Jahrhundert wurden reißerische Geschichten über die Opferung junger Frauen und Mädchen an dieser Stätte verbreitet“, sagt Christina Warinner, Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie gegenüber dem National Geographic Magazin. Die aktuellen Funde würden jedoch zeigen, dass diese Geschichten nicht stimmten.

„Unsere Studie, die in enger internationaler Zusammenarbeit durchgeführt wurde, stellt diese Interpretation auf den Kopf“, so Warinner. Sie zeige, dass die Maya zumindest in Chichén Itzá männliche Menschenopfer bevorzugten.

Was die Forscher zustätzlich überrascht habe, sei, dass viele der Opfer miteinander verwandt gewesen seien. Es habe sogar eineiige Zwillingspaare gegeben. Die Wissenschaftler erklären sich das mit dem Umstand, dass Zwillinge sowohl im rituellen Leben der Maya als auch in ihren Schöpfungsmythen eine große Rolle gespielt haben. Dieser Umstand könnte den Zwillingen zum Verhängnis geworden sein, dass sie als Opfer ausgewählt wurden. „Zwillinge gelten in der Maya-Mythologie besonders verheißungsvoll, und das Zwillingsopfer ist ein zentrales Thema im heiligen Buch der Quiché-Maya, dem Popol Vuh“, heißt es in der Studie.