Berlin. Schwarz kämpft gegen Weiß: Das dürfte jeder über Schach wissen. Offenbar war das nicht immer so – gewisse Kontinuitäten gibt es aber.

Archäologen der Universität Tübingen haben eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht: Bei Ausgrabungen in einer bislang unbekannten Burganlage im süddeutschen Landkreis Reutlingen wurden mittelalterliche Spielfiguren gefunden. Die Funde werfen ein neues Licht auf die damalige Spielkultur.

Seltene Schachfiguren aus dem Mittelalter entdeckt

Zu den entdeckten Artefakten gehören eine gut erhaltene Schachfigur, blütenförmige Spielsteine und ein sechsseitiger Würfel – alle datiert auf das 11. und 12. Jahrhundert, schreibt die Universität in einer Pressemitteilung. Vor allem die Pferdefigur zeige typische Merkmale ihrer Zeit, wie etwa plastisch ausgeformte Augen und Mähne. Solche detailreichen Gestaltungen seien charakteristisch für hochwertige Schachfiguren des Mittelalters, heißt es in der Mitteilung. 

Die Objekte wurden unter dem Schutt einer Burgmauer gefunden, was dazu beigetragen hat, dass die Oberflächen der Funde außergewöhnlich gut erhalten sind. Die Forscher vermuten, dass die Spielfiguren entweder verloren gegangen sind oder absichtlich versteckt wurden.

Für Jonathan Scheschkewitz vom Landesamt für Denkmalpflege (LAD) ist der Fundort nicht überraschend. Das Schachspiel habe im Mittelalter zu den sieben Fertigkeiten gehört, die ein guter Ritter beherrschen musste, erklärt er. „Insofern verwundert es nicht, dass bekannte Funde meist von Burganlagen stammen.“

Schach im Mittelalter: Figuren hatten ganz andere Farbe

Ein internationales Team von Expertinnen und Experten der Universität Tübingen, des LAD und des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) untersucht derzeit die Funde näher, um mehr über die Spielkultur im Mittelalter zu erfahren.

Laboruntersuchungen der roten Farbreste auf den Spielsteinen haben bereits ergeben, dass zumindest eine Partei des mittelalterlichen Adels mit Rot gespielt hat. Mikroskopische Untersuchungen der Pferdefigur zeigten zudem „einen typischen Glanz vom Halten und Bewegen der Figuren“, wie Flavia Venditti von der Universität Tübingen in der Mitteilung zitiert wird.

Diese Gebrauchsspuren würden darauf hindeuten, dass der Springer bereits im Mittelalter während des Zuges angehoben wurde und zeigten damit eine Kontinuität der Schachregeln bis heute.

Die mittelalterliche Spielesammlung wird ab Juni 2024 in der Großen Landesausstellung „THE hidden LÄND“ in Tübingen zu sehen sein, gefolgt von Ausstellungen in Stuttgart ab dem 13. September 2024 und in Pfullingen ab dem 15. Juni 2024. Ein 3D-Modell der Schachfigur, des Würfels und einer Spielfigur ist bereits online zugänglich.